Donnerstag, 26. Mai 2011


Fundstück: (Anti-)Deutscher Versuch der Umdeutung internationaler linker Gegenkultur

Auf Tueinfo wurde unter dem Titel "Fundstück: Antiamerikanische Klischees" versucht, linke USA-Kritik und berechtigten linken Antiamerikansimus zu diffamieren und mit unberechtigtem Antiamerikanismus bzw. rechtem Antiamerikanismus gleichzusetzen. Um im Umgang mit pro- und antiamerikanischen Texten etwas trennschärfe zu erreichen, hier eine kleine Ergänzung.

US-linker und globaler Antiamerikanismus

Linke weltweit arbeiten mit Bildern um ihren Kampf für Solidarität und Selbstbestimmung und gegen Kapitalismus, Krieg und Fremdbestimmung zu illustrieren. Da die USA auf Europa medial einen großen Einfluss hat, sind auch in der linken Szene in Deutschland die Symboliken aus us-amerikanischen Linken Kontexten beliebt. Gewöhnlicherweise richten sich linke Symboliken hauptsächlich sowohl gegen die eigenen Konzerne und den eigenen Staat als auch gegen die global mächtigsten Konzerne und Staaten. In den USA trifft beides meist zusammen. Us-amerikanische Konzerne gehören zu den mächtigsten der Welt und der us-amerikanische Militarismus stellt alles in den Schatten: Die USA geben fast 400 Mia Euro für Militär aus, wären die ganze Welt 900 Mia Euro ausgibt. Dh. die USA alleine geben 42 % der weltweiten Militärausgaben aus, wärend die us-amerikanische Bevölkerung keine 5% der Weltbevölkerung ausmacht (Zahlen: Focus 2007). Die aggressive und lobbybeinflusste Außenpolitik der USA berechtigen die gobale Linke also durchaus zu Kritik, solange sie nicht die einheimischen Schweinereien verdecken, so ist beispielsweise die EU, Deutschland ganze vorne mit dabei, was Militarismus, Grenzregime, Neoliberalismus und konzernfreundliche Kriegspolitik angeht kaum besser als die USA, nur noch nicht ganz so mächtig. Deutsche Konzerne gehören zu den größten Waffenhändlern, Hungererzeugern und Unterdrückern weltweit.

Der Import des linken Antiamerikanismus aus den USA

Dass die deutsche Linke sich aber etwas zu sehr an der berechtigten Kritik an us-amerikanischen Zuständen verliert hat bei genauerem Blick in die Gesellschaft wenig mit dem „Antiamerikanismus“ zu tun, den selbsternannte Antideutsche ihr ständig vorwirft: Der Input-Vortrag (eine tendenziell antideutsche Veranstaltungsreihe) über Antiamerikanismus strotzte vor unglaubwürdiger Behauptungen. Input versuchte darzulegen, dass der linke Antiamerikanismus die selbe Motivation wie der rechte Antiamerikanismus hätte. So war von der angeblich auch von Linken behaupteten „Kulturlosigkeit“ Nordamerikas usw. die Rede. Wer sich aber tatsächlich mit linkem Antiamerikanismus beschäftigt sieht ganz andere Wurzeln: Als Einsteiger*in in die linke Szene bekommt mensch hierzulande Informationen vorallem aus us-amerikanischen linken Medien. Die Filme von Michael Moore, die Musik von Rage against the Machine und NOFX, Propaghandi und Antiflag, die Neuigkeiten von Mumia Abu Jamal und der us-amerikanischen Anti-Sweatshop-Bewegung sind die Medien, die hierzulande Menschen politisieren. All diese Medien haben die Kritik an us-amerikanischen Militarismus, Konzernen und Nationalismus im Zentrum.

Deutscher Proamerikanismus

Die USA ist das mächtigste Land der Welt ist und sowohl das Land als auch deren Konzerne erfreuen sich in Deutschland außerordentlicher Beliebtheit erfreuen (trotz der Entfernung geben 2008 2,8% der Deutschen die USA als nächstes Reiseziel an, hingegen Spanien 8,6% und Frankreich 3,2% und das trotz der Mehrkosten wegen Entfernung usw.). Coca Cola und McDonalds, Starbucks und Burgerking gehören zu den beliebtesten Firmen, deren Image sich Deutsche gerne bedienen. Im Mainstream in Deutschland scheint also eher ein Proamerikanismus zu herrschen, als ein Antiamerikanismus. Diesem deutschen Mainstream schließen sich die selbsternannten Antideutschen an, um sich von der links-alternativen Szene abzugrenzen, die durch us-amerikanische linke Medien eher zum übertriebenen Antiamerikanismus neigt. Übertrieben deshalb, weil so der us-amerikanische Saatgut und Pestizidenhersteller Monsanto dadurch zwar in der berechtigten Kritik steht, tausende von Menschenleben in Indien auf dem Gewissen zu haben, aber die deutschen Agrarkonzerne und ihre Gentechnik, allen voran Bayer, oder auch den schweizer Saatgutriesen Syngenta völlig aus dem Fokus gerät. Diese Konzerne, die die grüne Gentechnik gegen den gesellschaftlichen Konsens verbreiten und so Abhängigkeit, Krankheit und Armut mitbringen, sind hier aktiv und könnten hier angegriffen werden. Durch die absolute Konzentration auf us-amerikanische Konzerne werden manchmal so hiesige Machenschaften gedeckt. Das Schaffen von Medien zur Ergänzung dieses Antiamerikanismus um die Gegnerschaft zu EU und Deutschland wäre daher eine wichtige Aufgabe. Selbsternannte Antideutsche kommen dieser, trotz der Selbstbezeichnung, kaum nach, da sich ihre Arbeit oft auf die Kritik an den Linken und das Verteidigen der Westmächte und ihrer Konzerne konzentriert.

Kultureller Proamerikanismus und „Soft Powers“

Zum Vorwurf des sogenannten „kulturellen Antiamerikanismus“ muss dringed gesagt werden, dass hier den Interessen der herrschenden Politik in der USA das Wort geredet wird. In der Politikwissenschaft wird unter dem von Joseph Nye geprägten Begriff der „Soft Powers“ (siehe auch http://de.wikipedia.org/wiki/Soft_Power) die kulturelle Verbreitung von Werten als eine politische Taktik bezeichnet, die mit Ergänzung von „Hard Powers“, also wirtschaftlichen und militärischen, die Verteidigung von nationalen Interessen im geopolitischen Machtspiel erreichen sollen. Das völlige Herunterspielen dieses Faktors durch Antideutsche bedeutet bei Erfolg die Entmächtigung von linken und emanzipatorischen Kräften weltweit und die Unterstützung des neoliberalen und kriegerischen Kurses der US- und EU-Politik. MTV und McDonalds werden seit Jahren von den Strategen der US-Außenwirtschaft taktisch eingesetzt, um die relative globale Dominanz zu sichern. Das heißt nicht, dass diese kulturellen Institutionen deshalb unbedingt verdammt werden müssen, es muss aber ein kritischer Blick aufrechterhalten werden. Institutionen wie das DAI in Tübingen, die nicht selten Veranstaltungen des us-amerikanischen Außenministeriums durchführen und mit denen die antideutsche „Initiative gegen Antisemitismus und Antizionismus“ (welche dazu den Antisemitismus durch faktische Gleichsetzung mit Antizionismus bagatellisiert), sind daher kritisch zu betrachten.

Von einem "Land der Täter" zu sprechen impliziert (hier:behauptet) einen meiner Meinung nach für Linke nicht zu rechtfertigenden Volksgedanken. Täter*innen gibt und gab es überalle, ebenso wie Freiheitskämpfer*innen. Und mit dem Zitat eines späten und resignierten Horkheimer zu versuchen Glaubhaftigkeit zu erhaschen scheint mir ein vergeblicher, der Adorno und Horkheimers Kritik an der Kulturindustrie (siehe 'Kulturindustrie - Aufklärung als Massenbetrug', das vierte Kapitel der 'Dialektik der Aufklärung') nicht zu überdecken vermag.

Sonntag, 30. Januar 2011

Achtung: Manches was sich links nennt ist antideutsch!


Antideutsche sind eine linke Splitterfraktion, welche sich in vielen Themen gegen die verbreitete linke und linksradikale Position stellt. Bei manchen Themen brachten die antideutschen eine kritischere Perspektive in die Linke, allerdings tendieren ihre Positionen auch öfters zu denen von Rechtspopulisten oder Neokonservativen, oder rutschen sogar ganz dorthin ab.

In Tübingen sind antideutsche Positionen, von denen manche hardcore-antideutsch sind, andere nur antideutsch inspiriert, in Vorträgen weit verbreitet. Viele Antideutsche inspirierte bis hardcore-antideutsche Vorträge wurden im Input-Basic und in der Infoladenhausbar veranstaltet. Unfairerweise verheimlichen die Veranstalter*innen ihre Richtung, so dass Leute, die in die Szene nachkommen immer wieder antideutsche Vorträge konsumieren ohne es zu merken, und dann nach und nach antideutsche Positionen beziehen.

Um dieses Bewusstsein zu schaffen, gibt es diesen Artikel. Mit dem Wissen soll jede und jeder auf Vorträge gehen, wie sie_er will.

Wie entstanden Antideutsche?

Das Antideutschtum entstand aus einigen kommunistischen Gruppen nach „der Wende“. Die antideutschen bezogen eine pro-israelische Position und wendeten sich so gegen die klassischen antiimperialistischen Kommunist_innen, die eine anti-israelische Position hatten. Daraus resultierte dann auch eine pro-us-amerikanische Position, wo auch deren Kriege befürwortet werden. Ausserdem suchten sich Antideutsche dann auch eine kapitalismuskritische Theorie, mit der sie die Kritik an der Dominanz us-amerikanischen Konzerne, welche in der traditionellen Linken üblich ist, abschmettern konnten. Diese fanden sie dann auch in der „Wertkritik“, wobei sich führende wertkritische Theoretiker_innen (wie Robert Kurz) stark von den Antideutschen abgrenzen. „Antideutsch“ heißen die Antideutschen deshalb, weil sie, während die klassischen anti-imperialistischen Kommunist_innen schon oft die USA als das ulitmative Böse darstellen, eher Deutschland als die schlimmste aller Nationalstaaten darstellen. Das hat dann nicht mehr viel damit zu tun, „gegen Deutschland“ zu sein. Weil das tatsächlich ein Großteil der Linken sind, aber bei den meisten eben genauso, wie gegen andere Nationalstaaten.

Woran merke ich, dass ich antideutsche Positionen höre?

Parolen wie „gegen Deutschland“ oder „Deutschland wegfegen“ etc. ist nur ein leichter Hinweis auf Antideutsche, weil gegen Nationalismus zu sein tatsächlich ein linker Grundsatz ist und es sinnvoll ist, beim eigenen Nationalismus anzufangen. Die Fixierung auf diese Parolen jedoch, ist typisch für Antideutsche.

Dann ist eine starke Thematisierung des Nahostkonflikts verbunden mit einer pro-israelischen Position, bzw. eine starke Hervorhebung des Antisemitismus (Judenfeindschaft) generell typisch für Antideutsche. Antideutsche sehen Antisemitismus nicht nur in direkter Feindschaft gegen Jüdinnen und Juden, sondern auch in Kapitalismuskritik, welche einzelne Personen (wie George Bush oder namenlose Reiche) in den Focus nehmen. Sie meinen, wenn Reiche kritisiert oder gegen sie gehetzt wird, seien damit indirekt Jüdinnen und Juden gemeint. Sie sprechen dann von strukturellem Antisemitismus. Den selben Vorwurf verwenden Antideutsche, wenn Firmen und Konzerne (nicht nur us-amerikanische) für ihre Handlungen kritisiert werden, wobei sie dies auch oft als „verkürzte Kapitalismuskritik“ bezeichnen. Ausnahmen machen sie aber manchmal, wenn es sich dabei um deutsche Firmen handelnt. Wenn die Politik der USA oder us-amerikanische Firmen kritisiert werden, sprechen Antideutsche von Antiamerikanismus. Auch „Klassenkampf“ ist ein Begriff, den Antideutsche prinzipell ablehnen und als strukturell antisemitisch denunzieren.

Ein eindeutig antideutsche Positionen ist, Antizionismus (also die Position gegen den jüdischen Nationalimus zu sein) mit Antisemismus gleichzusetzen. Des weiteren fallen Antideutsche durch überproportionale Kritik an Muslimen, dem Islam, Araber_innen oder muslimischen Organisationen auf. Das heißt nicht, dass vor allem islamistische Organisationen (wie Hamas oder Hisbollah) oder der Islamismus kritiklos hinzunehmen sind, dennoch ist es auffällig, dass diese Gruppen, auch wenn sie verhältnismäßig klein und weit entfernt sind, in den Fokus gerückt werden.

Was ist problematisch an antideutschen Positionen?

Mit dem antideutschen Schutz von kapitalistischen Akteuren wie Konzernen oder von Reichen kommen Antideutschen den Neokonservativen in den USA (eben wie George Bush und Konsorten) sehr nahe. Solche Kritik „aus der Linken heraus“ macht die Linke oft vollständig handlungsunfähig, weil die wenigen Ansatzpunkt, wo wir Linken ansetzen können und/oder Zustimmung bei den Ausgebeuteten dieser Welt finden können dann wegfallen, wenn wir diese Kritik ernst nehmen (was wir deshalb, und weil die Kritik meist inhaltsleer ist, nur sehr begrenzt tun sollten).

Da viele Antideutsche einen universitären Hintergrund haben, vertreten sie oft Positionen, die ihre eigene Stellung in der Gesellschaft (Abitur, Uni-Abschluss, gute Jobmöglichkeiten, viel Zeit für Theorie) unterstützen und die, die es in unserer Gesellschaft schwerer haben herabsetzen. Migrantische Jugendliche, Arbeiter_innen und Arbeiterjugendliche werden von Antideutschen für ihr Verhalten oft schonungslos kritisiert und herabgesetzt. Klar, dass Letztere sich meistens nicht so toll mit Theorie beschäftigt haben, daher oft sexistische oder andere politisch unkorrekte Bemerkungen machen, aber schließlich sind sie es, die den unerträglichen Zustand im Kapitalismus ertragen müssen und oft auch sie, die tatsächliche Kämpfe gegen den Kapitalismus führen (von Streiks und Blaumachen bis Ladendiebstal und Aufstände).

Ist Krieg eigentlich immer wieder gut?

Ähnlich wie der Großteil der etablierten Politiker_innen, in Deutschland, den USA und sonstwo, werden Antideutsche oft zu heftigen Kriegsbefürworter_innen. Die Friedensbewegung und ihre Bemühungen werden ähnlich häufig von Antideutschen angegriffen wie die antimilitaristische Bewegung.

Durch die antideutsche Konzentration von Kritik an muslimischen Einwander_innen und dem Islam haben sie manchmal genau die selben Positionen wie rechtspopulistische Gruppen (wie z.B. Pro-Köln), welche von den Antideutschen aber trotzdem bekämpft werden. Antideutsche Aussagen haben manchmal teilweise rassistische Elemente. Dies tritt vor allem bei Aussagen über Araber*innen, Muslimen/as, Palästinenser*innen hervor, wobei dies glücklicherweise selten direkt geäußert wird.

Antisemitismus – das wichtigste im Leben von Antideutschen

Problematisch ist vor allem die Position von Antideutschen zu Antisemitismus. Antisemitismus wird von Antideutschen prinzipiell höher gestellt als andere Rassismen. Dadurch werden Unterdrückungsideologien, Rassismus und Kolonialismus relativiert. So vertrat z.B. die antideutsche Gruppe „Emanzipation und Friede“ bei ihrem Vortrag in Tübingen die Position, dass Antisemitismus am schlimmsten sei, eine Mittelstellung hätte „der“ Rassismus und darunter käme „antimuslimische Ressentiments“. Mit letzterem meinen sie Rassismus gegenüber Muslimen, welcher zur Zeit in Deutschland gefährlich populär wird. Die Ähnlichkeiten zu den Anfangszeiten des Nazibewegung in den 20ern übersehen sie und stellen sich sogar teilweise mit der deutschen Mitte gegen die muslimischen Einwanderer und nicht-deutschstämmigen Menschen.

Ein wichtiges Problem ist, dass die Positionierung der Antideutschen zum Antisemitismus selbst schon antisemitische Züge hat: Jüdinnen und Juden werden als die ewigen Opfer einstuft werden. Die Politik des Staates Israel, welcher mit „den Juden“ assoziert wird (was ebenfalls problematisch ist), darf somit nur begrenzt kritisiert werden. Jüdinnen und Juden werden somit zu den „besseren Menschen“ gemacht, was sie meistens als diskriminierend empfinden.

Mit der Gleichsetzung von Antisemitismus und Antizionismus erklären die Antideutschen auch noch einen großen Teil der Linken zu Antisemiten. Dabei sind Linke an sich schon meistens Antizionisten, weil das zum antinationalistischen Grundsatz gehört, immerhin ist der Zionismus auch ein Nationalismus. Darunter auch unsere Freunde und Genoss*innen, die Anarchists against the Wall in Israel (awalls.org). Recht haben sie aber, wenn sie eine völlig einseitige antizionistische Position verurteilen, die Israel überhauptkein Existenzrecht zugestehen und fordern die Juden ins Meer zu treiben, denn so ähnliches fordern manche kommunistische Gruppen.

Der Kapitalismus ist der einzige der handelt, wir alle folgen nur?

Eine Schwierigkeit bei der Kapitalismuskritik von antideutschen oder anderen wertkritisch orientierten Kritiker*innen ist, dass sie extrem wenig Handlungsräume lässt, weil sie den Kapitalismus zu einem Mechanismus degradiert, in dem kein Mensch irgendwie Verantwortung für sein tun haben kann oder etwas ändern kann. Diese „objektivistische“ Kapitalismusanalyse ist nicht unbedingt falsch, aber sie ist eben noch lange nicht die einzig richtige. Aus dieser Position sind hungernde Arme ebenso dem Kapitalismus unterworfen und nicht mächtig anders zu handeln als reiche Millionäre oder mächtige Präsidenten. Das ist natürlich Quatsch, weil mit steigender Macht, also Geld oder Autorität, auch die Handlungsmöglichkeiten mehr werden, wie z.B. auch alles hinzuwerfen und ganz unten in der Gesellschaft weiterzumachen. Richtig ist, dass auf geschichtlich-langfristige Sicht und auch tendenziell der Markt bestimmt was passiert und die Politiker*innen wie Manager*innen nur den Gesetzen von Konkurrenz und Standortkonkurrenz folgen. Ihr Handeln aber damit zu entschuldigen finde ich bescheuert.

Anarchosyndikalismus, Betriebsbesetzung und „wie endlich alles anders wird“

Auch das Buch, "Kommunismus. Kleine Geschichte wie endlich alles anders wird", verwendet genau diese wertkritische Analyse. Im Buch wird auch die Besetzung der Betriebe durch die Arbeiter*innen beschrieben. Das ist die Strategie der Anarchosyndikalist*innen, wie der Freien Arbeiter Union (FAU). Die Besetzung alleine reicht, wie im Buch auch richtig beschrieben, nicht aus um den Kapitalismus zu besiegen. Im Buch wird daher die Betriebsbesetzung auch als falsche Taktik bezeichnet. Anarchosyndikalist*innen aber verbinden mit der Betriebsbesetzung auch die Bildung von Syndikaten, also Netzwerken, wo alle Betriebe eines Zweiges zusammenarbeiten. So verhindern sie, dass sie in Gegenseitiger Konkurrenz stehen. Im Buch wird diese Möglichkeit weggelassen, die*der Leser*in lernt nur: Betriebsbesetzungen sind keine Lösung.

Antideutsch Orientierte sind tatsächlich der Meinung, dass Besetzungen keine gute Strategie sind, auch wenn sie sich mit dem Syndikatsmodell auseinandersetzen. Sie sind der Meinung, dass solange es irgendwo Kapitalismus gibt, es überall Kapitalismus gibt. Die meiner Meinung nach wichtige Frage: „Wie den Kapitalismus abschaffen?“ finden sie scheinbar nicht wichtig, sondern meinen, dass erstmal das gesamte Verstehen von Marx' Lehren im Vordergrund stehen. Solange bleiben sie bei platten Phrasen wie „Kapitalismus abschalten, abschaffen, usw.“. Hier merkt mensch schnell, dass sie nicht so sehr unter dem Kapitalismus leiden, dass sie direkt jetzt etwas ändern wollen. Ihnen ist es wichtiger nur Theorie zu wälzen, sich von revolutionären Linken und Gewerkschaften abzugrenzen, als wirklich etwas zu tun.

Boykott – verkürze Kapitalismuskritik?

Aus dieser wertkritischen Position zusammen mit ein wenig Ignoranz kommen antideutsch Insprierte dazu, jegliche Boykotte als verkürzte Kapitalismuskritik zu diffamieren. Zum Beispiel der seit Jahren aufgerufene Boykott von Coca Cola, welche in Kolumbien Arbeiter*innen umbringen lassen, die für bessere Löhne Streiks organisieren. Antideutsche meinen dazu, dass da nicht Coca Cola schuld wäre, sondern der Kapitalismus und dass mensch statt dem Boykott lieber den Kapitalismus abschaffen soll. Klar! Schön! Würde ich gerne, aber solange niemand weiß wie das geht oder alle wissen dass es noch Jahrzehnte dauern wird, ist so ein Boykott einfach Lebenswichtig für die Arbeiter*innen in Kolumbien und es eine Sache der Solidarität sie zu unterstützen.

Wie gehen Anarchist*innen mit Antideutschen um?

Wie Anarchist*innen meistens mit allem umgehen: sehr unterschiedlich. Erstmal muss nochmal betont werden, dass es nicht einfach „Antideutsch“ gibt, was du bist oder nicht. Es gibt einen Extrempol, der in früheren Postionen der Zeitung Bahamas vertreten wurde. Die Bahamas sind längst ins rechtskonservative abgedriftet und stehen nicht selten mit CDU-Politiker*innen oder Rechtspopulisten auf einer Bühne. In Zeitungen wie der „jungle world“ und der „Konkret“ werden antideutsche mit anderen linken Artikeln gemischt. „Emanzipation und Friede“ hat schon sehr antideutsche Elemente, während „Junge Linke gegen Staat und Kapital“ und „Ums Ganze Bündnis“ nur leicht andeutsche Züge hat.

Je nach dem wie krass antideutsch die Positionen sind, so kann auch mit antideutschen zusammengearbeitet werden. Anarchist*innen finden sich aber meist in kritischer Distanz zu Antideutschen, auch wenn es Zusammenarbeit gibt. Öfters befinden sie sich auch im krassen Konflikt mit ihnen.

Vorsicht ist aber geboten, wenn Antideutsche sich als Anarchist*innen bezeichnen. Die Dogmatik ihrer Argumentation ist eine kommunistische, den Spagat zwischen Antideutsch und Anarchismus ist nur schwer wirklich zu schaffen.

Das wichtigste ist, sich nicht von antideutschen Pseudoargumenten zu sehr beeinflussen zu lassen. Ernst genommen, können sie jede anarchistische Praxis zerstören!

Empfehlenswert ist es, sich von antideutscher Dogmatik nicht beeinflussen zu lassen und direkt in den Klassenkämpfen zu arbeiten. Manchmal ist allerdings auch der Kampf, die direkte Aktion, Intervention und Argumentation gegen antideutsches Denken wichtig, weil sie die Nachwuchsgeneration verwirren und gegenüber den herrschenden Zuständen harmlos machen.


Mittwoch, 19. Januar 2011

Der identitäre Niedergang des Linksradikalismus


Den folgenden Beitrag haben wir frech von Tueinfo geklaut, der dort als Kommentar gepostet wurde. Er gefiel uns aber so gut, wir ihn unbedingt nochmal abdrucken mussten. Wäre uns die*der Autor*in bekannt gewesen, hätten wir vielleicht sogar vorher gefragt.

Vorbemerkung:
Der Artikel erklärt grundlegend die Problematik, warum es diesen Blog überhaupt gibt, welcher sich selbst leider auch innerhalb dieser Problematik verortet. Eine weitere Diskussion auf der Basis dieses Beitrags und der zugrundeliegenden Literatur wünschen wir uns sehr!

Kontext:
Der Anlass, weshalb der Beitrag geschrieben wurde, ist die Diskussion, die auf ein Interview mit der antideutschen Band "Egotronic" auf Tueinfo folgt. Den Originalkontext findet ihr hier:

http://www.jpberlin.de/tueinfo/cms/node/19418#comment-3063

Artikel:
Nehmen wir nur einmal deine Bezeichnung von Egotronic als "linksradikale" Band. Diese Bezeichnung mag sogar Berechtigung haben - dann muss man dabei aber auch klarstellen, was "Linksradikalismus" eigentlich ist und welche Phase des deutschen "Linksradikalismus" das antideutsche Politik-Surrogat darstellt.

Nach Michael Koltan muss man, um das zu erkennen, zurückblicken, zunächst zum Ende der 80er Jahre. Drei Momente kamen damals zusammen: Zum einen die zaghaft beginnende Auseinandersetzung über die antisemitischen Anteile des linken Antizionismus. Nur wenig später kam als zweites Moment ein Ereignis von weltgeschichtlichem Ausmaß hinzu: Der real-existierende Sozialismus klappte praktisch über Nacht wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Und in der Folge der Umwälzungen im Osten folgte dann schnell das dritte Element, nämlich der Aufschwung der Antifa-Szene nach den spektakulären Pogromen von Rostock oder Hoyerswerda. Die durch die aktuellen Geschehnisse erzwungenen anti-nationalen Kampagnen machten den Antinationalismus und Antirassismus von einem Randgebiet zu einem zentralen Bestandteil linksradikalen Selbstverständnisses. Koltan meint: "Aus diesen drei Momenten sollte sich das anti-deutsche Politiksurrogat amalgamieren, mit dem der Linksradikalismus in der Folge von ’68 in sein letztes und unwiderrufliches Verwesungsstadium eingetreten ist."
Ihres Inhaltes völlig entleert sei die linke Kritik an linkem Antisemitismus zum Ticket geworden, das einem einen Ersatz für die im Niedergang der Bewegung verlorengegangene Identität versprach. Die Antisemitismuskritik transformierte sich aus einer Form der Aufklärung in die Form der identitätsstiftenden Ware: Man bekannte sich nun zu Israel, wie man sich in den 70er Jahren zu Mao bekannte. Bereits in der "Gegenkultur" der 68er hatte ja die Dichotomie Jugend vs. Establishment die Klassengegensätze überformt oder ersetzt; bereits die 1968er-Bewegung wurde nur ermöglicht durch das neue Modell des Nachkriegskapitalismus, das auf Massenkonsum setzte. Der Kapitalismus begann, nachdem er sich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts den Produktionsprozess völlig unterworfen hatte, nun auch den Konsumptionsprozess nach seinem Bilde zu gestalten. Die Ersetzung der klassenspezifischen Kulturen durch eine einheitliche, standardisierte Massenkultur wurde von den Apologeten des Systems als Ende der Klassenunterschiede und einer schönen neuen Welt jenseits der alten „Ideologien“ des Klassenkampfes gefeiert. Für die Kritiker des Systems hingegen, egal ob von rechts oder von links, wurde das Ganze als allgemeiner kultureller Verfall interpretiert, aus dem es kein Entrinnen mehr geben könne. Die intelligenteste Variante dieses „Kulturpessimismus“ war zweifellos die von Adorno und Horkheimer in der Dialektik der Aufklärung entwickelte „Kulturindustrie“-Theorie. Doch selbst hier erschien, bei aller dialektischen Finesse, die Ausbreitung der Massenkultur nur als endgültiges Mittel, jegliches Klassenbewußtsein auszutreiben und die Individuen mit dem Bestehenden gleichzuschalten.
Die gesellschaftliche Funktion der Kulturindustrie ist: Waren zu produzieren, mit deren Kauf die Individuen ihre Differenz zu anderen Individuen dokumentieren konnten. Im Gegensatz zur auf möglichst breiten Konsens setzenden Mainstream-Kultur setzte die Gegenkultur auf Abgrenzung und bediente damit den zunächst kleinen Markt für identitätsstiftende Waren deutlich besser als dies der Mainstream konnte. Als am 2. Juni 1967 in Berlin ein harmloser Student namens Benno Ohnesorg erschossen wurde, erreichte die Entwicklung eine neue qualitative Stufe: Die Trias von Sex, Drugs and Rock'n'Roll wurde um die damals ultimative Provokation, den militanten Anti-Kapitalismus ergänzt. Die von den Bedürfnissen des Marktes geforderte Entwicklung ausdifferenzierter identitätsstiftender Waren brachte eine Ware hervor, deren geregelte Einbindung in den allgemeinen Warenkreislauf rund ein Jahrzehnt dauern sollte: Einen neuen linken Radikalismus, der mit dem alten Antikapitalismus der Arbeiterbewegung praktisch nichts gemein hatte.
Das Problem war, dass sich dieser linke Radikalismus selbst missverstand und wohl auch missverstehen musste: Während der alte Antikapitalismus der Arbeiterbewegung ein wesentlich kollektives Unterfangen war, war der neue Linksradikalismus zutiefst individualistisch. Er war nicht mehr durch die Strukturen der Produktivkräfte und Produktionsverhältnisse determiniert, aus denen die Arbeiterbewegung ihre Zielvorstellung bezog, die durch den spezifischen kulturellen Überbau nur vermittelt wurden. Der Linksradikalismus entsprang vielmehr direkt den Widersprüchen des kulturellen Überbaus, dem Zwang, sich selbst definieren zu müssen, ohne daß der Markt ein ausreichend differenziertes Sortiment identitätsstiftender Waren bereitgestellt hätte.
Doch: Der Linksradikalismus nach '68 war nach Koltan nicht so sehr deshalb problematisch, weil ihm die „Verwurzelung“ in der gesellschaftlichen Basis fehlte, als vielmehr, daß dadurch die Theorien, mit deren Hilfe die Protagonisten der Bewegung ihr Tun reflektierten, einen seltsamen Doppelcharakter annahmen: Zum einen erhoben sie, wie von Theorien erwartet werden kann, den Anspruch, die gesellschaftliche Realität zu erklären und den Handlungshorizont der Individuen zu definieren. Andererseits waren sie aber auch Identitätswaren: Ob man Maoist oder Sponti war, hatte wenig objektive Gründe, sondern hing von biographischen Zufällen ab. Das Analogon dazu ist eher in der Fankultur zu finden: Eigentlich ist es ziemlich belanglos, ob man lieber die Beatles als die Stones hört. Doch je belangloser die Differenzen, um so vehementer und ohne Aussicht auf Entscheidung kann man sich darüber streiten und gerade dadurch seine eigene Identität im Gegensatz zu der anderen bestätigen.
Das Problem der '68er Revolte besteht nach Koltan also nicht so sehr darin, dass sie eine individualistisch geprägte Überbau-Revolte war, sondern daß sie sich nicht in der Lage sah, den Doppelcharakter ihrer Theorien zu reflektieren. Der Gebrauchswert der Theorien, ihre Fähigkeit, die gesellschaftlichen Entwicklungen zu erklären und das Handeln der Individuen zu leiten, wurde durch ihre Überformung zu Identitätswaren in zunehmendem Maße in Mitleidenschaft gezogen. Und in der Form des Anti-Deutschen-Syndroms erlosch schließlich jeglicher theoretischer Gebrauchswert, zurück blieb eine leere identitätsstiftende Hülle.
Die Stärke des Linksradikalismus war, dass er ein durch die kapitalistische Produktionsweise geschaffenes Bedürfnis, das nach selbstgewählter Identität, besser befriedigen konnte als der Kapitalismus selbst; seine Schwäche, dass er der Produktion identitätsstiftender Waren massiv Vorschub leistete.
In Phasen des Niedergangs schlug regelmäßig das Phänomen der Identitätssuche nach Innen durch. Man braucht sich nur die hirnrissigsten Auseinandersetzungen der letzten 40 Jahre anschauen um zu erkennen, daß der einzige Inhalt mancher Debatten ausschließlich in ihrer Form lag, nämlich der aggressiven Identitätsbildung nach Innen.
Die 68er-Bewegung war dabei überhaupt nicht mehr in der Lage, eine Theorie hervorzubringen, die dem äquivalent gewesen wäre, was der Marxismus für die Arbeiterbewegung gewesen war, statt dessen wurde sich durch die K-Gruppen konsumistisch bei den alten revolutionären Theorien wie in einem Second-Hand-Laden bedient, es ging darum, sich eine eigene „politische Identität“ durch die Wahl des jeweiligen Pseudo-Marxismus auf den Leib zu schneidern.
Die Bewegungen der 80er Jahre waren aktionistisch orientiert und kamen weitestgehend ohne Theorie aus.
Heute kann sich, wer als Linksradikaler meint, nicht ohne Weltanschauung auskommen zu wollen, am „Nürnberger“-Modell der „radikalen Wertkritik“ oder dem „Freiburger“-Modell der „kommunistischen Freunde Israels“ orientieren.
Mit ihrer Berufung auf die Kritische Theorie konnte das „Freiburger“-Modell eine vornehmere Ahnenreihe aufweisen.
Beide aber sind vorläufiges Endprodukt des Niedergangs der Linken, ein "Verwesungsprodukt" in Folge des Niedergangs der Arbeiterbewegung. In großen Teilen ist der sog. "Linksradikalismus" dabei lediglich Teil einer Gegenkultur innerhalb der kapitalistischen Kulturindustrie, seinen Anhängern und Anhängerinnen scheint oft nicht bewusst zu sein, dass es sich bei ihren Debatten und Abgrenzungsversuchen, die keinerlei gesellschaftliche Relevanz haben bzw. den Anschluss an die Gesellschaft teilweise auch schon längst aufgegeben haben oder gar nicht suchen, um Versuche der Identitätsstiftung handelt, die vollkommen in der kapitalistischen Logik verortet sind als Politik-Versatzstücke als identitätsstiftendes Warenangebot, das individuell konsumierbar ist.
Die "linksradikale" Band Egotronic, obiges Interview und die identitären Auseinandersetzungen in den Kommentaren auf Tue-Info sind meiner Ansicht nach anschauliche Beispiele für den Niedergang und die Krise der Linken, deren angebliche (in Wahrheit aber längst bei der Affirmation der herrschenden Zustände angelangten) "Radikale" sich, abgeschnitten von jeglicher gesellschaftlichen Relevanz, in identitätsstiftende, kulturindustriell verwurstete Versatzstücke einstiger Politik flüchten. Verbunden mit dieser individualistischen, konsumistischen Attitüde ist in großen Teilen dieser "linksradikalen" subkulturellen Jugendszene eine Abgrenzung, ja Ausgrenzung und persönliche Diffamierung der traditionellen Linken und Personen, die sich dieser Tradition verpflichtet fühlen und an einer revolutinären Perspektive zur Überwindung des Kapitalismus festhalten, statt sich desillusioniert und perspektivlos zurückzuziehen und seine Zeit fortan damit zu verbingen, diese Resignation durch ständige, polemisierende Kritik der einstigen Genossen und Genossinnen zu verarbeiten. Mit viel identitärem Gehabe hat man sich in einer Nische der warenförmigen Gesellschaft eingerichtet, sich mit einigen Versatzstücken linker Theorie eingedeckt und sie zu einem Lifestyle ausgebaut, welcher den gesuchten identitätsstiftenden Zweck erfüllt. So kann man sich dann schön abgrenzen, sich in seiner Nische einrichten und sich das auch in mannigfaltigen inhaltsleeren Debatten selbst bestätigen. Was dabei herauskommt, sind dann solche Diffamierungen wie "Arbeiterklassefetischisten" für Leute, die noch ernsthafte marxistische, antikapitalistische Politik machen wollen.

Mittwoch, 1. Dezember 2010

Der anitmuslimische Rassismus der Antideutschen

Die gesellschaftliche Tendenz zum antimuslimischen Rassismus ist kaum zu übersehen: Ob dieses Herrschaftsinstrument dazu verwendet wird, um Stimmung gegen "ungewollte Ausländer" zu machen, das Ausländerrecht zu verschärfen und Abschiebungen zu erleichern, oder ob damit Kriege gegen ferne Länder wie Afghanistan und Irak legitimiert werden sollen, der antimuslimische Rassismus ist massiv präsent.
Sabine Schiffer arbeitete in ihrer Medienanalyse "Antisemitismus und Islamophobie" die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden Rassismen heraus und stellt fest, dass sie teilweise ähnliche Funktionen bedienen. Auch der ehemalige Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Ignaz Bubis, befand in einem Zeitungsinterview, dass dem antimuslimische Rassismus ähnlichen Vorurteilen zugrundelägen, welche dem Antisemitsmus vor dem Holocaust zugrundelagen.
Antideutsche, wohl die am meisten Rassismus-reproduzierende Gruppe die sich "links" nennt, empfinden alle vergleiche zwischen Antisemismus und antimuslimischen Rassismus als Affront. Mit der Theorie von Moishe Postone, in der Antisemismus die Folge von unverstandenem Kapitalismus ist, versuchen sie verkrampft Antisemitismus nicht nur von anderen Rassismen abzutrennen, sondern ihn auch über andere Diskriminierungsformen zu erhöhen.
Auf einem Vortrag der antideutschen Gruppe "Emanzipation und Friede" kam dies deutlich zum Vorschein. Auf die Frage aus dem Publikum, ob sie nicht eine Hierarchisierung (als wichtigstes Antisemitismus, dann Rassismen und schließlich "antimuslimische Ressentiements" ganz unten) produzieren würden, antworteten die Referenten offen mit ja. Auf dem selben Vortrag war immerhin positiv zu vermerken, dass einige Antideutsche endlich erkennen, dass ihre prowestlich-rassistische Position nicht unproblematisch ist.
Ein Merkmal, auf welches sich Antideutsche, vor allem in der Zeitschrift IZ3W, beziehen, wenn sie das Bild von den konservativen, frauenfeindlichen und rechtsoffenen Arabern und Muslimen im allgemeinen ausmalen, ist die Zusammenarbeit und Zustimmung vieler Muslime mit Nazideutschland während dem zweiten Weltkrieg. Dabei übersehen sie, dass diese nicht hauptsächlich aus Begeisterung der Bewohner_innen von muslimischen Ländern für die menschenverachtenden Ideen der Nazis herrührt. Der Einfache Hauptgrund für Kriegsbündnisse mit Nazideutschland war einfach der, dass das deutsche Reich Anfang des 20.Jahrhunderts zwar militärisch stark genug war, um Weltkriege anzuzetteln und sich mit den Großmächten Frankreich und Großbritanien anzulegen, aber nicht um eigene Kolonien in Nordafrika und im Nahen Osten zu haben.
Nach dem Motto "die Feinde meiner Feinde sind meine Freunde" war es einfach eine strategische Frage, sich gegen die Kolonialmächte Großbritannien und Frankreich zu verbünden. In der Hoffnung sich endlich von der europäischen Fremdbeherrschung frei zu machen, arbeiteten viele Mitglieder_innen der herrschenden Klasse von kolonialisiserten Ländern mit den deutschen Herrschen zusammen. Einigen gelang es, in der breiten Bevölkerung ihres Landes positive Stimmungen gegenüber den Deutschen und auch den Nazis zu verbreiten, was ebenso naheliegend wie unverzeihlich ist. Dieser positiv-Bezug gegenüber Hitler und den Nazis, ursprünglich aus einer antikolonialen Haltung heraus, ist in vielen muslimischen Ländern heute noch zu verspüren, nicht zuletzt weil das (für diese Menschen fast ausschließlich als solches empfundene) "koloniale Projekt" Israel auch nur eine weitere Kolonie im Bunde der westeuropäisch-nordamerikanischen Mächte ist. Die koloniale Gewalt, welche in den meisten Ländern des nahen Ostens damals und in den palästinensischen Gebieten heute noch erlebt wird, erzeugt ihre Antithese, die in ganzer Gestalt ebenso menschenverachtend ist wie die kolonialistische Ideologie selbst. Anders dürfte das z.B. in Lybien sein, wo Italien mit Mussolini an der Spitze die Kolonialmacht war. Dort unterstützten Nazideutschland und Hitler die Kolonialisiserung.
Grundsätzlich scheint Huntingtons "Clash of Civilazations" die neue Kriegs- und Herrschaftsideologie zu sein, welche das alte "Teile und Herrsche"-Prinzip, welche schon die Arbeiter_innen in Europa in Nationen aufteilte und im ersten Weltkrieg gegeneinander ausspielte und welches später im Kalten Krieg erstmal global die "Verdammten dieser Erde" gegeneinander Aufstachelte ablöst.
Wer dieses Konstrukt der Orient gegen Okzident bzw. Christentum bzw. christlich-geprägt säkular/kapitalistisch/demokratisch gegen Islam bzw. muslimisch-geprägt/orientalisch/sog. Dritteweltländer aufrechterhält, z.B. indem sie_er sich auf eine der beiden Seiten schlägt, reproduziert ein neues "Die Anderen"-Konstrukt und bestärkt die Ausbeutung und Herrschaft. Somit kann sich meiner Meinung nach keine Gruppe/Einzelperson, die sich ernsthaft "links" nennt, anhand dieser neuen Grenzlinie positionieren!
Linke oder anarchistische Gruppen haben schon immer versucht, solche Mechanismen aufzudecken und die darunterliegenden Herrschaftsverhältnisse (Kapitalismus, Patriachat, Rassismus) aufzudecken und von ihnen Frontlinien abzuleiten!
Leider scheinen das Antideutsche und antideutsch Inspirierte irgendwie vergessen zu haben. Sie stellen sich lieber zusammen mit Rechtspopulisten (welche sich meist Aufgrund der Fragestellung "Antizionismus oder Antislamismus" meisten mit neonazistischen Gruppen streiten) auf die Seite "des Westens". Kein Wunder, dass die rechtspopulistische Homepage "political incorrect" sehr oft mit antideutschen Positionen übereinstimmt.

"Krieg dem Krieg!" statt "Krieg der anderen Kriegspartei!"

Freitag, 16. April 2010

„Fucking european racists“

Die rassistische Definition von Fortschritt von einem Teil der radikalen Linken

Zur Zeit der Kolonialisierung war Rassismus die grundlegende Ideologie zur Rechtfertigung der Unterwerfung nicht-europäischer Gruppen von Menschen (im allgemeinen als „Völker“ bezeichnet). Rassismus umfasste dabei immer schon sowohl die Konstruktion von „Rassen“ als Gruppen von Menschen mit anderer Hautfarbe und sonstigen körperlichen Merkmalen und der Zuschreibung von (meistens aber nicht immer) negativen Eigenschaften als auch negativ wertende Zuschreibungen zu kulturellen Elementen dieser "Völker". So wurden die Sprachen als primitiv und „unverständlich“ klassifiziert, die Geräte und Werkzeuge wurden häufig als auf dem „Steinzeitniveau“ befindlich degradiert, die Sitten und Gebräuche als „gottlos“ und „tierähnlich“ beschrieben.

Interessant ist, dass diese zweite Erscheinung des Rassismus, die Erklärung der Unterlegenheit einer Kultur, in leicht veränderter Form heute immer noch Gang und Gäbe ist (siehe „Spiegel“-Artikel wie „Steinzeitvolk im Amazonasgebiet entdeckt“) und sogar von selbstbezeichnenden radikalen Linken reproduziert wird!

Die Logik, die dieser Form des Rassismus zu Grunde liegt, ist die Vorstellung einer bis auf wenige Unterbrechungen lineare Entwicklung zum positiven hin. Dieser Fortschrittslogik ist zu tiefst ideologisch geprägt und macht z.B. vorneuzeitliche Gesellschaftszustände, die bei genauer Betrachtung aus heutiger Perspektive als positiv bewertet werden würden, unsichtbar. Es wird suggeriert, dass je länger eine Epoche zurückliegt, desto negativer das Leben in dieser aus heutiger Sicht zu bezeichnen sei. Des weiteren unterstellt dieser Fortschrittslogik, eine jede Gesellschaft würde ebenso eine zeitlich-(quasi-)lineare Entwicklung durchmachen und verschiedene Gesellschaften würden auf verschiedenen Entwicklungsstufen stehen, wo ebenfalls die am weitesten fortgeschrittene als die positivste bewertet soll. So gebe es entwickelte Länder und Entwicklungsländer, die rückständig seien und denen bei der Entwicklung geholfen werden müsse. Die Ursachen von Katastrophen wie Hunger, Kriege, Massaker usw. werden auf das Entwicklungsstadium zurückgeführt und damit entpolitisiert, da Machtinteressen, politische Akteure usw. ausgeblendet werden. Diese Logik wird aber nicht nur auf Gesellschaften, sondern auch auf indigene Gemeinschaften angewendet. Ihnen wird pauschal extreme Herrschaftsförmigkeit unterstellt und sie werden mit Eigenschaften wie patriarchal, entbehrungsreich und undemokratisch beschreiben. Der Blick auf einzelne Gemeinschaften wird als überflüssig dargestellt und die Frage der Solidarität mit indigenem Widerstand gegen die Einbindung in den Kapitalismus und die westliche Konsumkultur wird nicht nur nicht gestellt, sondern verrückterweise als antiemanzipatorisch diffamiert. Dabei wird von erwähnten radikalen Linken die westliche Konsumkultur überhöht als zur positivsten und am stärksten die individuelle Freiheit ermöglichenden Kultur erklärt.

Gelegentlich wird dabei mit Marx argumentiert, der die Möglichkeit einer freien Welt erst in voll „entwickelten“ kapitalistischen Ländern beschrieben haben soll.

Diese rassistische Argumentation ist aber nicht nur extrem chauvinistisch, sie dient auch konservativen und neoliberalen Akteuren zur Legitimation von Wirtschaftsprojekten, die der Stärkung die globale neoliberale Hegemonie fördern und von denen tausende von Menschen und Gemeinschaften existentiell bedroht werden. So wird in Mittelamerika mit dem Titel „Plan Puebla Panama“ (kurz PPP) eine Wirtschaftszone errichtet, wo Hundertausende von Indigenen vertrieben werden sollen, der Lebensgrundlage von Hundertausenden von Fischern durch Garnelenzuchtanlagen vernichtet werden solle und gleichzeitig Fabriken gebaut werden sollen, wo die arbeitslos Gemachten zu unmenschlichen Bedingungen Kleider und andere Produkte für den Weltmarkt produzieren sollen. Der PPP gilt auch als Entwicklungsprojekt und wird unter anderem unter dem Label „Entwicklungshilfe“ staatlich gefördert. Die Auswirkungen für die Betroffenen vor Ort sind dennoch mehrheitlich katastrophal!

Doch ein Teil der radikalen Linken interessiert eine solche Realität anscheinend nicht. Sie befassen sich anscheinend lieber ausschließlich mit Marx und Antifaschismus (was kein Problem ist, solange nicht solche Aussagen treffen). So kommen sie zum Beispiel auf einem Vortrag über rechte Ökologie zu Aussagen wie etwa 'Immer wenn Ökologiebewegungen nicht „fortschrittlich“ sind, kann sie als „rechts“ bezeichnet werden!'. Oder eine andere Person auf dem selben Vortrag etwa 'zu rechter Ökologie müssten auch Primitivisten (Aktivisten, die Indigenen, die als „primitiv“ klassifiziert werden verteidigen, Anm.d.A.) gerechnet werden'. Dabei wird die gängige, oben beschriebene, wertende Definition von „Fortschritt“ verwendet.

Solche unglaublich undifferenzierte Statements sind in genannter Szene leider keine Seltenheit. Argumentiert wird dabei mit der Position eines Teils der Primitivist*innen, die ebenfalls eine undifferenzierte und romantisierende Vorstellung von 'nicht-zivilisiertem', indigenem Leben haben.

Doch selbst eine undifferenzierte Romantisierung der Industriegesellschaft zu verbreiten, nur weil sie selbst eher an der „Spitze“ dieser Gesellschaft stehen (z.B. Studierende in einem Industrieland sind) und die für ihren Lebensstil notwendigen Arbeiten nicht selbst erledigen müssen (z.B. Abbau von Rohstoffen, industrielle Produktion, usw.), stört diese „radikalen Linken“ dabei aber wohl nicht.

Diese unglaublich arrogante Weltsicht provozierte einen indischen Freund von uns, der sowohl die industrielle Produktion in Indien wie auch das leben verschiedener indigener Gemeinschaften dort kennenlernte zu der Aussage: „...they [Vertreter*innen genannter Positionen] are just fucking european racists!“