Donnerstag, 26. Mai 2011


Fundstück: (Anti-)Deutscher Versuch der Umdeutung internationaler linker Gegenkultur

Auf Tueinfo wurde unter dem Titel "Fundstück: Antiamerikanische Klischees" versucht, linke USA-Kritik und berechtigten linken Antiamerikansimus zu diffamieren und mit unberechtigtem Antiamerikanismus bzw. rechtem Antiamerikanismus gleichzusetzen. Um im Umgang mit pro- und antiamerikanischen Texten etwas trennschärfe zu erreichen, hier eine kleine Ergänzung.

US-linker und globaler Antiamerikanismus

Linke weltweit arbeiten mit Bildern um ihren Kampf für Solidarität und Selbstbestimmung und gegen Kapitalismus, Krieg und Fremdbestimmung zu illustrieren. Da die USA auf Europa medial einen großen Einfluss hat, sind auch in der linken Szene in Deutschland die Symboliken aus us-amerikanischen Linken Kontexten beliebt. Gewöhnlicherweise richten sich linke Symboliken hauptsächlich sowohl gegen die eigenen Konzerne und den eigenen Staat als auch gegen die global mächtigsten Konzerne und Staaten. In den USA trifft beides meist zusammen. Us-amerikanische Konzerne gehören zu den mächtigsten der Welt und der us-amerikanische Militarismus stellt alles in den Schatten: Die USA geben fast 400 Mia Euro für Militär aus, wären die ganze Welt 900 Mia Euro ausgibt. Dh. die USA alleine geben 42 % der weltweiten Militärausgaben aus, wärend die us-amerikanische Bevölkerung keine 5% der Weltbevölkerung ausmacht (Zahlen: Focus 2007). Die aggressive und lobbybeinflusste Außenpolitik der USA berechtigen die gobale Linke also durchaus zu Kritik, solange sie nicht die einheimischen Schweinereien verdecken, so ist beispielsweise die EU, Deutschland ganze vorne mit dabei, was Militarismus, Grenzregime, Neoliberalismus und konzernfreundliche Kriegspolitik angeht kaum besser als die USA, nur noch nicht ganz so mächtig. Deutsche Konzerne gehören zu den größten Waffenhändlern, Hungererzeugern und Unterdrückern weltweit.

Der Import des linken Antiamerikanismus aus den USA

Dass die deutsche Linke sich aber etwas zu sehr an der berechtigten Kritik an us-amerikanischen Zuständen verliert hat bei genauerem Blick in die Gesellschaft wenig mit dem „Antiamerikanismus“ zu tun, den selbsternannte Antideutsche ihr ständig vorwirft: Der Input-Vortrag (eine tendenziell antideutsche Veranstaltungsreihe) über Antiamerikanismus strotzte vor unglaubwürdiger Behauptungen. Input versuchte darzulegen, dass der linke Antiamerikanismus die selbe Motivation wie der rechte Antiamerikanismus hätte. So war von der angeblich auch von Linken behaupteten „Kulturlosigkeit“ Nordamerikas usw. die Rede. Wer sich aber tatsächlich mit linkem Antiamerikanismus beschäftigt sieht ganz andere Wurzeln: Als Einsteiger*in in die linke Szene bekommt mensch hierzulande Informationen vorallem aus us-amerikanischen linken Medien. Die Filme von Michael Moore, die Musik von Rage against the Machine und NOFX, Propaghandi und Antiflag, die Neuigkeiten von Mumia Abu Jamal und der us-amerikanischen Anti-Sweatshop-Bewegung sind die Medien, die hierzulande Menschen politisieren. All diese Medien haben die Kritik an us-amerikanischen Militarismus, Konzernen und Nationalismus im Zentrum.

Deutscher Proamerikanismus

Die USA ist das mächtigste Land der Welt ist und sowohl das Land als auch deren Konzerne erfreuen sich in Deutschland außerordentlicher Beliebtheit erfreuen (trotz der Entfernung geben 2008 2,8% der Deutschen die USA als nächstes Reiseziel an, hingegen Spanien 8,6% und Frankreich 3,2% und das trotz der Mehrkosten wegen Entfernung usw.). Coca Cola und McDonalds, Starbucks und Burgerking gehören zu den beliebtesten Firmen, deren Image sich Deutsche gerne bedienen. Im Mainstream in Deutschland scheint also eher ein Proamerikanismus zu herrschen, als ein Antiamerikanismus. Diesem deutschen Mainstream schließen sich die selbsternannten Antideutschen an, um sich von der links-alternativen Szene abzugrenzen, die durch us-amerikanische linke Medien eher zum übertriebenen Antiamerikanismus neigt. Übertrieben deshalb, weil so der us-amerikanische Saatgut und Pestizidenhersteller Monsanto dadurch zwar in der berechtigten Kritik steht, tausende von Menschenleben in Indien auf dem Gewissen zu haben, aber die deutschen Agrarkonzerne und ihre Gentechnik, allen voran Bayer, oder auch den schweizer Saatgutriesen Syngenta völlig aus dem Fokus gerät. Diese Konzerne, die die grüne Gentechnik gegen den gesellschaftlichen Konsens verbreiten und so Abhängigkeit, Krankheit und Armut mitbringen, sind hier aktiv und könnten hier angegriffen werden. Durch die absolute Konzentration auf us-amerikanische Konzerne werden manchmal so hiesige Machenschaften gedeckt. Das Schaffen von Medien zur Ergänzung dieses Antiamerikanismus um die Gegnerschaft zu EU und Deutschland wäre daher eine wichtige Aufgabe. Selbsternannte Antideutsche kommen dieser, trotz der Selbstbezeichnung, kaum nach, da sich ihre Arbeit oft auf die Kritik an den Linken und das Verteidigen der Westmächte und ihrer Konzerne konzentriert.

Kultureller Proamerikanismus und „Soft Powers“

Zum Vorwurf des sogenannten „kulturellen Antiamerikanismus“ muss dringed gesagt werden, dass hier den Interessen der herrschenden Politik in der USA das Wort geredet wird. In der Politikwissenschaft wird unter dem von Joseph Nye geprägten Begriff der „Soft Powers“ (siehe auch http://de.wikipedia.org/wiki/Soft_Power) die kulturelle Verbreitung von Werten als eine politische Taktik bezeichnet, die mit Ergänzung von „Hard Powers“, also wirtschaftlichen und militärischen, die Verteidigung von nationalen Interessen im geopolitischen Machtspiel erreichen sollen. Das völlige Herunterspielen dieses Faktors durch Antideutsche bedeutet bei Erfolg die Entmächtigung von linken und emanzipatorischen Kräften weltweit und die Unterstützung des neoliberalen und kriegerischen Kurses der US- und EU-Politik. MTV und McDonalds werden seit Jahren von den Strategen der US-Außenwirtschaft taktisch eingesetzt, um die relative globale Dominanz zu sichern. Das heißt nicht, dass diese kulturellen Institutionen deshalb unbedingt verdammt werden müssen, es muss aber ein kritischer Blick aufrechterhalten werden. Institutionen wie das DAI in Tübingen, die nicht selten Veranstaltungen des us-amerikanischen Außenministeriums durchführen und mit denen die antideutsche „Initiative gegen Antisemitismus und Antizionismus“ (welche dazu den Antisemitismus durch faktische Gleichsetzung mit Antizionismus bagatellisiert), sind daher kritisch zu betrachten.

Von einem "Land der Täter" zu sprechen impliziert (hier:behauptet) einen meiner Meinung nach für Linke nicht zu rechtfertigenden Volksgedanken. Täter*innen gibt und gab es überalle, ebenso wie Freiheitskämpfer*innen. Und mit dem Zitat eines späten und resignierten Horkheimer zu versuchen Glaubhaftigkeit zu erhaschen scheint mir ein vergeblicher, der Adorno und Horkheimers Kritik an der Kulturindustrie (siehe 'Kulturindustrie - Aufklärung als Massenbetrug', das vierte Kapitel der 'Dialektik der Aufklärung') nicht zu überdecken vermag.